Mittwoch, 7. Dezember 2011
Die Krise der Spätis
Ein Geschäftsmodell steht auf dem Prüfstand. Kioske und Trinkhallen in den großen Städten haben Probleme zu überleben. Ein Büdchen oder eine Bude kann heute vielen Pächtern nicht mehr den Lebensunterhalt sichern. Weil immer mehr Supermärkte in den Innenstädten bis 22 oder 24 Uhr geöffnet haben, trifft die Krise auch die Berlin Spätverkaufsstellen, kurz Spätis genannt. Diese haben in der Vergangenheit mit extra langen Öffnungszeiten ihre Nische gefunden.

Eine Trinkhalle war früher ein solides Geschäftsmodell. In der Frühe Zeitung und Kaffee, tagsüber Zigaretten und Schokoriegel, ab dem Nachmittag dann Feierabendbier für die Frühschicht. Dabei ist der Getränkeverkauf das profitabelste Geschäft – Kaffee und Bier haben die höchsten Gewinnspannen. In der Zeit, in der jede Backfiliale Togo-Kaffee anbietet, und die preissensible Kundschaft das Bier vom Discounter holt, wird es schwer, trotz oft geringer Miete, noch etwas zu verdienen. In vielen Städten treffen sich die Geselligkeit suchenden Biertrinker nicht mehr an der Trinkhalle, sondern an einem ruhigen Plätzchen unweit vom nächsten Discounter.

In Berlin finden sich in den dicht besiedelten Stadtteilen über 30 Kioske bzw. Spätis auf einem Quadratkilometer. Diese Zahl nimmt auch nicht ab, sondern dort, wo viele Geschäftsräume leer stehen, weiter zu. Wer in diesem Umfeld noch einen Spätverkauf eröffnet, scheitert. Stammkunden wechseln kaum, und ausreichend Laufkundschaft gibt es nur in guten, nicht bezahlbaren Lagen. Wer dann noch auf ganz auf das profitable Getränkegeschäft gesetzt hat, hängt spätesten nach vier Wochen immer diese Zettel ins Schaufenster:


Überleben wird in Berlin nur, wer den Wandel der Kundschaft im Auge hat, und als Folge der Gentrifizierung auf die richtigen Zeitschriften setzt (Landlust, ct, Shape, Ökotest, gerne auch Mode und Kunst) setzt und bei Getränken und Lebensmittel die Produkte und Marken verkauft, die der nächste Supermarkt nicht im Angebot hat.